Ausbooten vor Helgoland – die Dampferbörte

Von Erich-Nummel Krüss

Ausbooten heute. Foto: Museum Helgoland

Ausbooten heute. Foto: Museum Helgoland

Fischerei, Lotserei und Bergung waren in früheren Zeiten die Haupt­erwerbs­quellen auf der Insel Helgoland. Zeitweise be­stand sogar ein gewisser Wohlstand unter den Seeleuten, der zur Zeit der Kontinental­sperre seinen Höhe­punkt erreichte, vor allem durch Einnahmen von Blockadebrechern und vom Schmuggel. Danach, als es wirtschaftlich bergab ging, versuchte Jacob A. Siemens 1826 das Seebad zu gründen, und es gelang ihm auch nach anfänglichen Schwierigkeiten. Mit der langsamen, aber stetigen Zunahme der Gäste wurde die Frage nach einer ständigen Schiffsverbindung mit dem Festland immer zwingender.

Börte – System des Ausbootens

Im Jahre 1829 kam schon das erste Passagier­schiff, die Beurs von Amsterdam mit Gästen von Hamburg, und mit den Raddampfern Patriot und Elbe wurde schon 1834 und 1836 der Dienst von Hamburg nach Helgoland einge­rich­tet. Anlege­stellen gab es zu jener Zeit auf Helgoland noch nicht, kleine Schiffe wurden an den Strand gesetzt oder auf der Reede geleich­tert, die Fischerboote zog man im Winter oder bei schlechtem Wetter auf den Strand. Sonst lagen sie auf ihren vorgesehenen Ankerplätzen („Mörns“ genannt). So mussten dann auch die ankommenden Fahrgastschiffe vor Anker gehen und ausgebootet werden.

„Beurs von Amsterdam“, eines der ersten Fahrgastschiffe zur Insel. Foto: Museum Helgoland

„Beurs von Amsterdam“, eines der ersten Fahrgastschiffe zur Insel. Foto: Museum Helgoland

Da es noch keine Landungsbrücke gab, wurden die Fahr­gäste zunächst von den Stegleuten durch das hüfthohe Wasser hukepack an Land getragen Später gab es dann fahrbare Stege, die man ins Wasser schob, an denen die Ruderboote (helgol. Rudder) anlegten und die Passagiere aussteigen konnten. Auf der Düne wurden diese Stege noch bis zu Beginn des Zweiten Weltkrieges benutzt. Seit dieser Zeit also besteht schon das System des Ausbootens, die „BÖRTE“. Kurz nach Eröffnung des Seebades verfügte man im Jahre 1828, dass nur die Helgoländer das Recht für diese Art der Anlandung von Fahrgästen besitzen sollten. Zunächst geschah dies mit Ruderbooten oder unter Segel, danach mit Motorbooten, die anfangs mit Benzinmotoren, später dann mit Dieselmotoren ausgerüstet waren.

1896 – die erste Landungsbrücke

Huckepack auf die Insel. Abb. Museum Helgoland

Huckepack auf die Insel. Abb. Museum Helgoland

Bootsbesatzungen bestanden aus fünf Männern. Dem Bug­mann (hel­go­ländisch Buch­mann), den beiden Männern zwischen den Duchten (helgol. twesken de Toffen), welche die Gäste in Empfang nahmen, dem Motormann (oft war das der Boots­eigner) und – heute weder üblich noch möglich – dem Offizier mit Helgoländer Lotsenpatent, der das Boot steuerte, als verantwortlicher Schiffer. Diese Regelung stammt aus der Zeit, als die Einkünfte der Helgoländer Seeleute noch zum größten Teil vom Lotsendienst auf Elbe, Weser und Eider oder von der Berge- und Hilfeleistung in Seenot geratener oder gestrandeter Schiffe abhingen. Aus dieser Zeit übernahm man auch den Begriff BÖRTE. Der Begriff stammt aus der Reihenschifffahrt (helgol. Beurt-Schiffahrt).

Die Entlohnung geschah auf Anteil. Es gab also nur Geld, wenn auch Gäste kamen. Es wurde ausgelost (helgol. Lottsmitten), wer mit dabei war (helgol. med uun´ne Beert), auch dieser Brauch stammte aus früheren (Lotsen)zeiten. Jeder Mann bekam einen Anteil und jedes eingesetzte Boot zwei Anteile der Einnahmen aus den Lande-gebühren. 1826 betrugen sie schon pro Person zwischen ein und zwei Mark Courant. 1869 entstand die erste feste Anlegestelle und ab 1896 plante und baute man die erste Landungsbrücke. Zitat aus der Weber´schen Chronik:

Die Größenverhältnisse der neu zu erbauenden Landungsbrücke werden wie folgt festgestellt:

  • der Landesteg soll 30 Meter lang und 5 Meter breit werden,
  • der Brückenkopf 100 Meter lang und 6 Meter breit,
  • am Kopf sind 8 Brückentreppen nach Geisse anzubringen.

Die Brücke soll in einem Winkel von 100 Grad zur jetzigen Landungs­brücke angelegt werden, so, dass der Verkehr unterhalb des Musikpavillons in die Kaiserstraße (helgol. Lung Wai) geleitet wird.

Die ab 1906 nach und nach entstehenden Häfen an der Südspitze der Insel, auf Sathurnbrunn – ehemalige Hummerfanggründe – dienten ausnahmslos nur militärischen Zwecken. Sie waren größtenteils abgesperrtes Marinegelände, zu denen der zivile Personenverkehr keinen Zugang hatte. 1916 waren die Hafen­anlagen schon ungefähr in der Form vorhanden, wie wir sie heute kennen. Von Anfang an hatte der Bau der Häfen keinen Einfluß auf das Aus- und Einbooten. Der Helgoländer Bäderdampfer-Verkehr wurde weiterhin erfolgreich, schnell und sicher über die Helgoländer Landungsbrücke abgewickelt. Ein System, das organisatorisch dem Aufkommen des Tagestourismus angepasst war und so am besten bewältigt werden konnte.

Traditionell gewachsener Betrieb ohne Alternative

In der Hauptsaison bediente die Börte pro Tag sieben bis acht – in den siebziger Jahren bis zu 11 – Seebäderschiffe. Zusammen beförderten sie 6.000 bis 7.000, an Spitzentagen bis zu 10.000 Fahrgäste in der Zeit zwischen 11.30 Uhr und 13.30 Uhr an Land und zwischen 14.30 Uhr und 16.30 Uhr sicher wieder an Bord. An Spitzentagen wurde das Kontingent der eingesetzten Boote und Mannschaften verstärkt durch zusätzliche Boote und mit Hilfsmannschaften besetzt, damit ein zügiges Aus- und Einbooten weiterhin gewährleistet werden konnte.

Historische Werbung. Abb. Museum Helgoland

Historische Werbung. Abb. Museum Helgoland

Die Betriebsleitung achtet auf eine gerechte Auslastung und regelt die Einsätze. Der Betrieb ist der Gemeinde Helgoland unterstellt. Seit einigen Jahren wird der Einsatz nicht mehr nach Anteil, sondern mit einem festen Tagessatz vergütet, damit diese Arbeitsplätze auch in Zukunft erhalten bleiben. Leider ist seit Beginn der Einsätze von Katamaranen im Helgoland-Verkehr (ohne Ausbooten) ein Rück­gang im Ausbootungsdienst zu verzeichnen. Diese gefährden den Fortbestand der Börte und es ist zu wünschen, dass jedem Helgoländer bewusst ist, dass es zu diesem traditionell gewachsenen Betrieb keine vergleichbar brauchbare Alter­native gibt, die organisatorisch den Fahrgast schneller und sicherer an Land bringt, denn Katamarane können den Tagestourismus der Insel allein nicht bewältigen. Und: ohne Seebäderschiffe auf der Reede würde sich Helgoland kaum noch von den anderen Nordseeinseln unterscheiden, deshalb sollte dabei auch nicht die Werbewirksamkeit dieses Unternehmens unterschätzt werden, damit es auch in Zukunft heißen kann: Helgoland … wirklich einmalig!

(Gestaltung: Andreas Bubrowski)

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